Kurioses mit Grwydro – aus den Erfahrungen eines Trills unter Menschen

Und es fängt schon an. Wie beginnt man einen Artikel in einer intergalaktischen Menschenzeitung, wenn man kein Mensch ist? Sage ich „Guten Tag“, dann irritiert es die Menschen, die es Abends oder morgens lesen. Von den vielen Menschen, die unendlich viele Lichtjahre von der Erde entfernt unterwegs sind, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen ganz zu schweigen. Denn das mit guten Abenden, guten Morgen und guten Nächten ist in der ewigen Dunkelheit des Weltraums wahrlich schwer zu definieren. So stehe ich als Trill, als Ausserirdischer auf einem Raumschiff voller Menschen schon vor dem ersten problem. Denn Menschen haben eine große Freude daran, sich von Sachen irritieren zu lassen. Zum Glück aber sollte dieser Artikel nun bereits so weit fortgeschritten sein, dass sich um die Begrüßung eh keiner mehr Gedanken macht, sondern sich die Frage stellt – wer spricht da eigentlich mit mir?

Das kann ich beantworten. Niemand. Aber sie lesen Worte, die in ihrem Kopf vielleicht wie ein Gespräch klingen. Wenn sie dafür nun ein Gesicht oder eine Person benötigen, um sich das lebendiger vorzustellen, dann steh ich dafür gerne Pate. Mein Name ist Grwydro Aru. Seines Zeichens ein noch junger, mit schlechten Augen aber jeder Menge unnützem Wissen ausgerüsteter Ensign, der seinen Dienst auf der USS Galathea tätigt und von der Redakteurin der Prawda, Corina Ovid gebeten wurde, doch ein paar Zeilen zu schreiben. Woher dieses unnütze Wissen? Nun, vom Planeten Trill kommend trat ich noch vor kurzem meinen Dienst an der Sternenflottenakademie an und wurde als COMM ausgebildet. Soll heißen, dass man mich darin gelehrt hat, allerlei Formen von Kulturen und Verhaltensweisen zu studieren. Sie können mir glauben, wer sein ganzes Leben und einen gewissen Teil davor auf Trill verbracht hat und mit Menschen kaum in Kontakt geraten ist, der erlebt ein wahres, überwältigendes Feuerwerk an Kultur. Das spannende daran ist, dass die Menschen über die kleinen Feinheiten und Besonderheiten ihrer Kultur quasi etwas Betriebsblind geworden sind. Und so gar nicht mehr sehen, wie Besonder, vor allem wie spannend sie für einen Außenstehenden sind.

Da wären zum Beispiel Redewendungen. Denn eins habe ich gelernt. Der Mensch besitzt eine gewisse Form von Eitelkeit. Würde ich nämlich jetzt einfach drauf los plaudern – was ich gefühlt längst getan habe – und darüber berichten, welche Charaktereigenschaften mir bei bestimmten Personen aufgefallen sind, würde sich darin sofort jemand wieder erkennen, betroffen fühlen und der Prawda bitterböse Lesebriefe schreiben. Für einen Menschen die höchste Form der Kritik. Die, die „andere zu lesen bekommen.“ Das ganze klingt nach einem abstrakten Bild… aber nicht für einen Menschen, denn er hat dafür eine passende Redewendung. Würde ich also konkret über Menschenverhalten schreiben, würde der Mensch sagen, dies sei wie „Topfschlagen im Minenfeld“.

Eine eigenartige Allegorie. Aber diese Allegorien ziehen sich wie ein roter Faden durch jede unterschiedliche Kultur und Sprache. Jede menschliche Kultur hat eigene Allegorien für ein und die selbe Sache. Oftmals wissen die Menschen nicht einmal mehr, dass die Wörter, die sie nutzen eigentlich eine Allegorie sind. Kritisiert ein Mensch zum Beispiel das sorglose, selbstzerstörerische und selbstdenunzierende Verhalten eines anderen, spricht er von einer „Bankrotterklärung“. Der Begriff ist eine doppelte Allegorie. Denn es enthält das Wort „Bankrott“. Das Wort Bankrott müsste eigentlich ausgestorben sein, denn es ist ein Fiskalbegriff und beschreibt das Pleitegehen eines Unternehmens. Nun… auf der Erde können Firmen nicht mehr Pleite gehen, da es die Nutzung einer Währung voraus setzt.  Der Begriff jedoch hat sich im Sprachgebrauch erhalten. Und sogar, als der Begriff noch einen Sinn ergab, war er bereits eine Allegorie. Der Begriff Bankrott kommt aus der Italienischen Renaissance.  Dort gab es Geldverleiher, die ihr Geschäft an Marktplätzen abhielten. Ein einfaches Geschäft. Ich leihe dir Geld, du gibst es mir später wieder – mit einem kleinen extra Dankeschön. Was natürlich auch umgekehrt funktionierte. Ich verwahre dein Geld und du bekommst dafür es auf Abruf mit einem kleinen Dankeschön zurück. Problematisch wurde das nur, wenn diese Geldverleiher Geld liehen und nicht mehr zurück zahlen konnten. Dann wurden sie ein Fall für die Stadtwache. Diese hatten sich eine sehr drastische Methode einfallen lassen, um die Schandtaten des Geldverleihers publik zu machen. Der Geldwechsler arbeitete auf dem Marktplatz, in dem er eine Holzbank aufstellte und sein Geld darauf zur Schau stellte. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit kam nun der Gardist und schlug symbolisch die Bank in zwei Trümmerteile. Die Bank war nun kaputt. Oder auf Alt-Italienisch „Banko rotto“. Jetzt muss man nur noch die O’s weg lassen.

Wieso reden wir jetzt über Italiener aus dem 12ten Jahrhundert der Menschen? Weil genau das es ist, was ich als Ziel meiner Kolumne auserkoren habe. Ich will die Menschen mit demselben Gefühl der „Fremde“ konfrontieren wie ich es in den vielen Jahren an der Akademie erfahren habe. Um ihnen zu zeigen, wie „Begeisternd“ ihre alltäglichen Gepflogenheiten für einen außenstehenden wirken können. Ich sag es ganz offen heraus, ich liebe die meisten kleinen Nuancen im Menschlichen Verhalten, sie begeistern mich. Und ich hoffe, ich kann dem Prawda-Leser ein wenig etwas mit dieser Kolumne zurückgeben.

So möchte ich abschließend eine weitere kleine Geschichte aus dem Sprachgebrauch teilen, bevor ich sie wieder in Ruhe lasse und den Artikel erstmal wirken lasse. Im Falle eben jener Beschwerdebriefe an die Prawda sind sie mich nämlich auch ganz schnell wieder los. Sonst bekommen sie, was sie „verdienen“. Auch das Wort „verdienen“ kommt natürlich aus dem Finanzbereich und müsste eigentlich über die Jahrzahnte ausgestorben sein. Ist es aber nicht. Man hat dafür sogar verschiedene Synonyme, eins davon ist Salär. Oder im englischen „Salary“. Tatsächlich bestimmte eine arg ferengisch wirkende Lebensweise viele Jahrhunderte der Weltgeschichte. Und der reichste, der je gelebt hat, war Mansa Musa, der König des afrikanischen Landes Mali. Auch er lebte im 14ten Jahrhundert, ist also schon tausend Jahre tot. Und dennoch, war sein Reichtum unmessbar. Bestes Beispiel, einst pilgerte der gläubige Moslem von Mali nach Mekka und kam dabei in der reichen Stadt Kairo vorbei. Mit einem üppigen Handgeld ausgestattet, entdeckte er in Kairo einen großen Basar und geriet in einen Kaufrausch. Er ließ dabei so viel seines Goldes in der Stadt bei diesen Händlern, dass letztendlich einfach jeder so viel Gold hatte, dass er sich damit alles kaufen konnte. Da die Verkäufer von Waren jedoch nicht bereit waren, ihre Güter nun zu verschenken, erhöhten sie entsprechend die Preise ihrer Waren und das sorgte dafür, dass all dieses Gold schnell nichts mehr wert war. Mansa Musa hatte aus einer unbedachten Laune heraus die Wirtschaft des Landes Ägypten so nachhaltig geschadet, dass das Land 15 Jahre brauchte, bis sich die Preise wieder normalisiert hatten. Sogar Mansa Musa selbst musste sich bei der Rückkehr aus Mekka in Kairo Geld leihen, um irgendwie über die Runden zu kommen.

Wie konnte der König einer völlig in einer Wüste gelegenen Landschaft so reich werden? Nun, er war nicht nur der Herr über die einzige Straße im Umkreis von vielen hunderten Kilometern nach Süden, er besaß auch ein anderes gut, dass in dieser Zeit mindestens genau so wertvoll war wie Gold. Salz. Mit Salz waren die Menschen in der Lage, Nahrung zu konservieren, sie konnten sich so vor langen Hungersnöten schützen oder lange Reisen über See antreten. Die ganze bekannte Welt wollte das Salz von Mansa Musa. Und er zahlte in Salz. Bis nach England ließen sich die einfachsten Bauern in Salz bezahlen. Sie erinnern sich an die Salary? An den Salär? Raten sie mal, warum diese Begriffe sich die erste Silbe mit dem wahrlich kurzen Wort „Salz“ teilt. Weil es eben genau da her kommt.

In diesem Sinne hoffe ich, dass sie alle bekommen, was sie verdienen. Und wenn es eine Hand voll Salz ist, seien sie sich im Klaren, dass dies etwas ganz Besonderes ist. Auch wenn es für sie nicht mehr ist als ein fies schmeckendes weißes Pülverchen. Für andere ist es die ganze Welt. Das ganze Universum. Der Weltraum.

Mit exotischen Grüßen – Grwydro Aru

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About Corina Ovid

Corina Ovid ist das unbestechliche Auge der Federation Prawda auf der USS Galathea. Pointiert und scharf beobachtend, berichtet Corina nicht nur von den Missionen der Sovereign Klasse sondern auch vom Leben an Bord.